Nach einer erholsamen aber sehr kalten Nacht, wache ich eine halbe Stunde vor meinem Wecker auf. Eine meiner Zimmergenossinnen hat mit ihrem Duschvorhaben das komplette Zimmer geweckt! Ich muss wirklich sagen, ein 6er Zimmer in einem Hostel ist nur spaßig wenn man sich mit allen versteht und einigermaßen gleich tickt. Weil das hier bei verschiedenen nicht der Fall ist, ist die Wahrscheinlichkeit dass bald ein Mord geschieht ganz real! Ich verfluche mich gerade ein wenig dass ich gestern so rücksichtsvoll gewesen bin. Aber naja, nicht jeder hat da genug Empathie um immer mitdenken zu können. (Und die Tatsache dass ich noch keinen Kaffee hatte, macht die Sache auch nicht besser)
Ich nutze die Zeit um mich anzuziehen und nochmal meine Kameraausrüstung zu checken. Sind zwei Akkus voll geladen? Wie steht es um meine Speicherkarten? Und wo ist eigentlich mein Polfilter? Es ist während einer Reise sehr wichtig sich jeden Morgen und jeden Abend kurz mit seiner Ausrüstung zu befassen. Und sich dann zwischendurch mal alles noch etwas genauer anzuschauen. Sind die Kamera und die Objektive sauber? Wie steht es mit der Ordnung in der Kameratasche? Ist noch alles an seinem Platz? Ist was drin was nicht da rein gehört? In meiner Anfangszeit beim Fotografieren und Reise bin ich da schon öfters mit auf die Schnauze gefallen. Dann war kein Akku mehr geladen oder ich wusste nicht welche Speicherkarte noch frei war und welche nicht. Ich schweife wieder ab.
Eine Lena ohne Kamera ist auf Reisen undenkbar. Dafür muss alles regelmäßig gecheckt werden, ansonsten schleppt man die relativ sinnlos durch die Gegend.
Die Ausrüstung ist in Ordnung, ich bin umgezogen und fertig zum Aufbruch. Um die anderen Mädels meiner schlechten „Pre-Kaffee-Laune“ nicht auszusetzen, nehme ich alles was ich brauche und bewege mich richtig Frühstücksraum. Der Tag fängt wirklich spitzenmäßig an. Wie gut dass ich im Frühstücksraum auf meine Lieblingsmenschen treffe. Ich weiß nicht wie, aber Chris und Anka sind einfach immer gut gelaunt! Mit ihrer positiven Aura, einem kleinen Frühstück und viel Kaffee geht es mir schnell wieder besser. Manchmal muss es einfach diese Kombi sein.
Leider sorgt ein Blick aus dem Fenster hingegen nicht wirklich für bessere Laune. Jerusalem präsentiert sich heute nass und kalt. Perfekt für die ganztägige Tour mit Idan! Aber ich hab mich für heute genug beschwert, man muss es jetzt einfach nehmen wie es kommt. Wer sich auf einer Reise übers Wetter beschwert, der muss glaub ich sowieso woanders hinfahren und auch zu einer anderen Jahreszeit.
Eine Stadtführung durch das Herz von Jerusalem
Als sich die komplette Gruppe versammelt hat, geht es los! Hinaus in die Nässe und die Kälte! Nur gut dass wir auf alles vorbereitet sind. Denn nach einem kleinen Fussmarsch Richtung Jaffa Gate kommt nach und nach die Sonne heraus. Anfangs etwas zaghaft, später vertreibt sie die meisten Wolken vom Himmel!
Als die Wolken noch den Himmel dominierten, habe ich einige Bilder in schwarz-weiß fotografiert. Das mache ich ganz gerne wenn das Wetter es nicht so hergibt. Das tolle an einem bewölkten Himmel ist nämlich das sehr weiche Licht, das die Motive oft sehr schmeichelhaft und sanft beleuchtet. Häufig kommt diese vorteilhafte Beleuchtung besonders gut zur Geltung wenn man dem Bild die Sättigung entzieht. Achtet mal darauf wenn ihr mal mit eurer (Handy-)kamera unterwegs seid. Und auch wenn es verlockend ist bei schlechtem Wetter die Kamera einzupacken oder sogar ganz zuhause zu bleiben; es lohnt sich nach Draussen zu gehen und nach tollen Motiven zu suchen.
Ein weiterer Tipp bei schlechtem Wetter: einfach den Himmel nicht fotografieren. Dann fällt es nämlich nicht auf ob super gutes oder extrem schlechtes Wetter herrscht! Eine Ausnahme gibt es dafür aber auch, nämlich wenn die Wolken viel Struktur haben. Das gibt dem Bild eine sehr schöne Dramatik und macht den Himmel aufregender, als wenn dieser „nur“ blau ist. Das kann gegebenenfalls sogar langweilig aussehen. Oh, wieder zum Thema zurück!
Jerusalems Altstadt
Man merkt Idan, unserer Guide, wirklich an, dass sie in Jerusalem zuhause ist. Die Führung in Tel Aviv war nicht mal halb so informativ wie diese hier. Sie erzählt viel über die Geschichte Jerusalems, die Politik, die Konflikte. Wie kann eine Stadt nur soviel aushalten? Dass hier noch alles so steht und so funktioniert, grenzt an ein Wunder. Als Zentrum der drei größten monotheistischen Weltreligion und einen der bekanntesten und brisantesten Konflikten unserer Zeit, hat die Stadt sich meiner Meinung nach gut gehalten.
Das erste was man von der Altstadt sieht, sind seine alten, hohen Mauern, die inmitten der Stadt auftauchen. Je näher man ihnen kommt, desto imposanter erscheinen sie. Wir betreten die Altstadt vom Jaffa Tor aus. Insgesamt gibt es acht Tore durch die man die Altstadt betreten kann und diese ist in vier unterschiedliche Viertel eingeteilt. Das Jaffa Tor führt uns direkt zum christlichen und armenischen Viertel. Wir beginnen aber beim christlichen Viertel. Unser erstes Ziel ist die bekannte Grabeskirche, einer der heiligsten Orte des Christentums. Ich bin schon sehr gespannt!
Auf den Weg dorthin laufen wir durch die kleinen engen Gassen, darunter auch die berühmte Via Dolorosa. Angeblich soll Jesus hier sein Kreuz entlang geschleppt haben, bevor er gekreuzigt wurde. Am Wegesrand versuchen Verkäufer uns ihre Waren zu verkaufen. Idan verrät uns dass wir am ehesten an den angebotenen Souvenirs am Wegesrand erkennen können in welchem Viertel wir uns gerade befinden. Und tatsächlich; überall an den Verkaufsständen sieht man Kreuze, Rosenkränze und Jesusfiguren. Aber auch schöne Tücher, Schals und Gewänder hängen überall. Bei dem ganzen Umherschauen muss man echt aufpassen keine Stufe zu verpassen! Ich hätte am Liebsten mehr Zeit um mir alles in Ruhe anzuschauen und dabei war ich ja schon gestern mit den Mädels hier unterwegs!
Die Grabeskirche
Irgendwann sind wir bei der Grabeskirche angekommen. Ganz unscheinbar zwischen einigen Verkaufsständen gehen wir durch einen Bogen hindurch und auf einmal stehen wir im Vorhof der Kirche. Vor außen sieht alles ungewöhnlich schlicht aus, wenn man an andere christliche Heiligtümer denkt wie zum Beispiel der Vatikan, der bereits von Außen kaum an Prunk und Pracht zu überbieten ist. Aber dieses höchst bedeutende Heiligtum sieht sehr unscheinbar aus. Lediglich die unzähligen Touristen und Gläubige lassen vermuten dass es sich hierbei um etwas Besonderes handelt.
Obwohl ich in der römisch-katholischen Kirche getauft worden bin, würde ich mich nicht als gläubig bezeichnen. Ich muss an meine Oma denken. Sie hat immer mit uns gebetet und ich glaube, es hätte ihr viel bedeutet genau diesem Ort in ihrem Leben mal besucht zu haben. Ich zünde eine Kreuze für die und meine Familie an. So ist sie wenigstens in meinen Gedanken mal hier gewesen.
Die Grabeskirche an sich war magisch. Wie gesagt, ich bin wirklich nicht gläubig aber was mich fasziniert ist, wie stark der Glaube anderer Menschen hier präsent ist. Anders als an anderen sind die Leute hier sehr zivilisiert, kein Gedränge oder Geschubste, obwohl sehr viele Menschen auf einem Haufen war. (So kurz vor Beginn der Corona Krise in Israel hätte das auch verdammt schief gehen können, aber zu der Zeit ging alles gut. Wie hätten wir ahnen können was noch in den nächsten Monaten auf uns zukommen würde!) Die Menschen sprachen vor den unterschiedlichen Heiligtümern ihre Gebete. Jeder Teil der Kirche war anders dekoriert. Das kommt daher dass jede Glaubensrichtung innerhalb des Christentums, außer der evangelischen, einen Teil der Kirche gehört. Dem entsprechend waren diese dann auch dekoriert. Eine tolle Erfahrung, die ich auf keinen Fall missen möchte! Auch wenn mir der Heilige Geist nicht erschienen ist.
Der Rest des Tages
Nach dem Besuch der Grabeskirche gibt es erst einmal etwas zu essen! So viel Religiosität kann schon hungrig machen. Und egal wie viel Humus und Falafel ich esse, ich bekomme davon einfach nicht genug. Danach geht es weiter zum Felsendom, ebenfalls eines der heiligsten Stätte einer der drei monotheistischen Religionen, dieses Mal die des Islam. Leider war es nur Semi gestattet sich dieses Prachtwerk näher anzusehen. Nur Muslime konnten jederzeit auf die Tempelanlage, wir hätten früh morgens kommen müssen. Wenn ich das nur vorher gewusst hätte… aber am Ende ist ja bekanntlich immer schlauer.
Danach geht es weiter zur Klagemauer. Hier durfte während des Shabbat nicht fotografiert werden, aus Respekt vor den Juden, die zum Beten an ihrem Feiertag hierher kommen. Und als rücksichtsvolle Touristen halten wir uns auch daran. Im jüdischen Viertel besichtigen wir dann noch die goldene Menorah. Eine Menorah ist ein siebenarmiger Leuchter und stellt eines der heiligsten Symbole des Judentums dar. Diese hier steht von der Hurva-Synagoge und ist hinter kugelsicherem Glas verborgen, da sie aus 24-Karat Gold besteht. Ein prachtvoller Anblick, aber auch etwas befremdlich dass sowas Wertvolles einfach so auf der Straße steht.
Als Idan sich von uns verabschiedet, bleibt die Frage ob wir jetzt noch in der Altstadt bleiben oder wieder zum Hostel zurückkehren sollen. Eine kleine Gruppe entscheidet sich nochmal ins christliche Viertel zurück zu gehen und dort in einem, von Idan empfohlenen, Café noch was zu trinken. Das Café an sich war absolut nicht erwähnenswert, das Besondere war, dass es eine Dachterrasse hatte. Langsam aber sicher neigt sich der Tag dem Ende zu und nachdem wir unseren (echt schrecklichen) Kaffee getrunken haben, deutet sich am Himmel einen Sonnenuntergang an, der einfach atemberaubend war. Wie ein kleines Kind renne ich von einer Seite der Terrasse zur anderen und fotografiere wie wild. Und naja, was soll ich sagen, die Fotos sind einfach der Hammer geworden!
Mit diesem fantastischen Sonnenuntergang verabschiedet sich Jerusalem von uns. Denn das war auch leider schon der letzte Tag. Morgen geht es weiter zum Toten Meer und dann runter nach Eilat. Was mir unterwegs so alles passiert ist, erfahrt ihr hier! Ich hoffe ihr hattet Spaß beim Lesen und wir treffen uns bald wieder hier auf meinem Blog. Bleibt gesund.