Aufstehen, die Sonne geht auf

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Der Wecker klingelt. 4.30 Uhr. 

– Ok. Vielleicht noch 5 Minuten? Kann bestimmt nicht schaden… 

– Nein! Ansonsten schaffe ich es vor dem Sonnenaufgang nicht zur Altstadt…aber dann kann ich es auch morgen machen? 

– Und danach eine geführte Tagestour? DAS wird dann doppelt anstrengend! 

– Aber es ist soooo schön warm unter der Decke… 

– Ist es auch draussen wenn du deine Thermounterwäsche angezogen hast.

– Aber ich bin doch noch echt müde…

– Jetzt beweg deinen Hintern aus dem Bett, ansonsten wirst du es später bereuen!

– Ok… na gut. Augen zu und durch!

So streiten sich mein Engelchen und mein Teufelchen auf meinen Schultern, bevor ich mich dazu bewege aus dem Bett zu steigen. Im Zimmer ist es so wahnsinnig kalt! Ich dacht wenn man in den Süden fährt, wird das mit dem frieren weniger. Gott sei Dank bin ich auf sowas vorbereitet. Alle meine Mitbewohnerinnen schlafen noch, also bemühe ich mich beim anziehen bloß keinen Krach zu machen. Geschafft. Ich bin warm eingepackt und der Kamerarucksack steht bereit. Da wir nur zwei Schlüssel für unser 6er Zimmer haben, nehme ich keinen mit, checke aber dafür gefühlt tausend Mal meine Ausrüstung. Hab ich alles mit dabei? Fast hätte ich meine Kopfhörer vergessen. Aber nein, alles da. 

Alles eine Frage von Planung

Mittlerweile ist es 5 Uhr. Die Sonne soll um 6.30 aufgehen, ich brauche im normalen Schritttempo so ungefähr eine halbe Stunde (in meinem Fototempo ist es dann eher eine Dreiviertel Stunde). Dann hab ich genug Zeit mir einen tollen Fotospot zu suchen und nicht nur den Sonnenaufgang, sondern auch etwas von der blauen Stunde mitzunehmen. Das ist die Stunde bevor die Sonne sich über dem Horizont zeigt. Der Vorteil dabei ist dass das Licht zwar schon da ist, es trotzdem noch sehr sanft und dadurch alles noch etwas bläulicher erscheint. Wer den Sonnenaufgang fotografieren möchte, sollte etwas vor der Zeit am Fotospot sein und diese tolle Stimmung auch noch mitnehmen.

Auf Los geht’s Los!

Noch einmal die Ausrüstung geprüft, einen Kopfhörer ins Ohr und los geht es. Ich trete aus dem wohlig warmen Hostel in die sehr frische Morgenluft. Bis auf den Soundtrack in meinem Kopfhörer ist es komplett still. Auf den ersten Meter, keine Menschenseele. Die Stadt scheint sich noch im Tiefschlaf zu befinden.

Wenn man gegen 5 Uhr durch Berlin läuft, ist die Stadt keinesfalls komplett leer. Ganz im Gegenteil, zu der Zeit trifft man ganz andere Menschen als zu anderen Tageszeiten. Mal sind es die extremen Frühaufsteher, die bereits zu der Zeit ihren Frühsport erledigen (etwas was ich tatsächlich überhaupt nicht verstehen kann.. sagt diejenige, die in ihrem Urlaub um 4.30 Uhr für Fotos aufsteht, schon klar, aber was soll ich sagen, ich habe was übrig für Sonnenaufgänge.) Oder man trifft die ersten Heimkehrer der unterschiedlichen Clubs.

Genau solche habe ich dann auch auf dem Weg zum Jaffa Gate, einem der berühmten Eingangstore in die Altstadt von Jerusalem gesehen. Ich muss gestehen, ich habe einiges erwartet, aber Partypeople hier, nein definitiv nicht! Es waren meistens junge Erwachsene, die aber glaube ich auch hier wohnen. Sie sprachen israelisch (glaub ich zumindest) und waren auch seeeehr lustig. Von mir nehmen sie keine Notiz und setzen, so wie ich auch, ihren Weg fort. So langsam wird es immer heller und ich sehe wie die erste Tram sich den Hügel hinauf kämpft. Die sind hier echt modern! In der Tram sitzen die ersten Menschen auf dem Weg zu Arbeit. Ab und zu huscht ein ultraorthodoxer Jude an mir vorbei. 

Geballte Geschichte auf einem Fleck

Und auf einmal tauchten sie auf; die Mauern von Jerusalems Altstadt! Eingetaucht in die Beleuchtung der Stadt, im Hintergrund färbt sich der Himmel so langsam in rötlich-gelber Stimmung. Wahnsinn! Was hier alles schon passiert ist. Gutes wie Böses, Freud wie Leid und wieviele Menschen bereits an diesem Ort waren, sei es um es sich einfach nur anzuschauen oder in ihrem Glauben einen Weg durch ihr Leben zu finden. Ehrfürchtig bleibe ich eine Weile nur stehen und lasse den Ort auf mich wirken. Das Licht entwickelt sich durch die paar Wolken am Himmel immer schöner und ich konnte einiger meiner fotografischen Highlights dieser Reise in meiner Kamera einfangen. 

Diese kleinen individuellen Fototouren geben mir einen Ausgleich zu den doch sehr stressigen Gruppenaktivitäten. Nach einigen Tagen gemeinsamer Reise und Abenteuer brauche ich immer mal einen kleinen „Pause-Knopf“, wo ich genau das machen kann was ich möchte. Denn mit 30 tollen Menschen durch die Weltgeschichte zu reisen hat definitiv viele Vorteile, einer der wenigen Nachteile ist, dass man eigentlich nie komplett alleine ist. Meine Fototour ist nun die erste richtige Gelegenheit zwischen den sich überschlagenden Ereignissen einmal Luft zu holen und das bereits Passierte zu verarbeiten, sich über den Moment zu freuen und sich auf Geplantes vorzubereiten.

Ein kurzer Blick ins Innere

Auch wenn ich nicht vorhatte jetzt bereits durch die engen Gassen der Altstadt zu gehen, das ist eigentlich für morgen geplant, bin ich dann doch etwas neugierig und wage einen kurzen Blick in die Altstadt hinein. Auch hier ist wenig los, einige wenige jüdische Gläubige sind unterwegs und beäugen mich misstrauisch.

So früh schon Touristen hier? Hat man denn nie Ruhe vor denen!? Andere begrüßen mich mit einem Shalom und eilen dann davon, ich gehe davon aus dass der erste Gottesdienst des Tages bereits um diese Zeit stattfindet. Nach einem kurzen Blick, und natürlich einigen Fotos, verlasse ich die Altstadt wieder durch das Jaffa Tor. 

Nächster Stopp; der Zionsberg

Nachdem ich an den Mauern zum Jaffa Tor hinunter gelaufen bin, wurde ich langsam ungeduldig. Die blaue Stunde war fast vorbei und ich musste vorher noch einen Platz finden, wo ich den eigentlichen Sonnenaufgang fotografieren konnte. Im Vorfeld wurde mir bei meiner Internetrecherche den Zionsberg als ideale Location empfohlen. Das sah schon sehr vielversprechend aus. Wenn man das erste Mal in einem fremden Ort unterwegs ist, lohnt es sich, eine kleine Internetrecherche vorab zu machen. Geht man blind los, kann das auch toll sein, nur verpasst man vielleicht einige tolle Fotospots. Trotzdem ist ein wenig individuelles, kritisches Denken gefordert, man will ja nicht in die Tourifalle tappen und nur zu den paar bekannten Spots rennen. Deshalb recherchiere ich meistens nur auf speziellen Fotoseiten (z.B. 500px oder unsplash) wo mir die Fotos auch gefallen und die nicht nur die klassischen Fotospots abklappern. Aber ich schweife schon wieder ab.

Schnell weiter, bevor ich alles verpasst habe! Nach einem beeindruckendem Spaziergang um die Mauer herum, komme ich auf der anderen Seite raus. Und es bietet sich mir ein ganz wunderbarer Blick! Die Sonne bricht gerade aus de Wolken über dem Horizont heraus. Als hätte sie nur auf mich gewartet um ihren prachtvollen Auftritt zu haben. Und ich war heute, am Zionsberg zumindest, ihr einziger Ehrengast.

Genau für diese Momente fotografiere ich. Und schaffe es auch jedes Mal mich aus dem Bett zu quälen. Nicht immer wird es belohnt. Aber wenn es dann passiert, ist es ein einzigartiges Gefühl. Ich komme aus dem Lächeln nicht mehr raus, stelle meinen Fotorucksack ab und beginne wie wild herum zu rennen. Jetzt muss die Lichtsituation auch ausgenutzt werden. Da kann man schon etwas hibbelig werden. 

Nach einer guten Stunde beruhigt sich der Himmel so langsam, die Wolken lichten sich und ein „langweiliger“ (aus fotografischer Sicht) blauer Himmel kommt zum Vorschein. Zeit für mich den Heimweg anzutreten. So langsam spüre ich dass die Müdigkeit wieder überhand nimmt, ich brauche unbedingt mal was zu essen. Und Kaffee! 

Der Rückweg dauert eine halbe Stunde und als ich wieder ins Hostel eintrat, saß ein Teil meiner Gruppe noch etwas verschlafen in der Lobby. Ah ja stimmt, ihre Westbank Tour soll demnächst starten. Als ich eintrete schauen mich meine Leute mit verwirrtem Blick an. Was ich denn schon so früh draussen gemacht habe. Naja, Fotos halt. Die die mich schon von letztem Jahr kennen, wirken jetzt nicht mehr so überrascht. Alle anderen halten mich glaub ich gerade für ein bisschen verrückt. Macht nichts, ich hab was ich wollte. Und jetzt gibt es einen Kaffee!

Während die meisten aus meiner Gruppe entweder zur Betlehem oder der Westbank Tour aufbrechen, genieße ich mein wohlverdientes Frühstück und setze mich an die Bearbeitung meiner Fotos. Der Rest des Tages verläuft dementsprechend sehr entspannt. Eine gute Freundin aus Luxemburg, Laila, ist gerade auch in Jerusalem und da sie schon mal hier war, gibt sie mir und meinen beiden Freundinnen Lara und Lisa am Mittag eine private Tour durch die Altstadt. 

Wir essen Schawarma, unterhalten uns über die Politik und philosophieren über die drei Weltreligionen. Am Schluss des Tages wurden wir auch noch mit einem tollen Sonnenuntergang belohnt! Ich bin auch für diese gemeinsamen Momente sehr dankbar. Fotografie, Kaffee und interessante Gespräche mit tollen Menschen. Dafür reise ich. 

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